Jahr 2012


Sächsische Zeitung, 10. März 2012

Wahnsinn Dynamo
Von Tino Meyer

Geliebt und gefürchtet, dafür oder dagegen. Wirklich egal ist dieser Fußballverein niemandem.

Bald ist wieder Geburtstag. Zwar nur der 59., aber trotzdem ein richtig guter Grund für eine große Party. Wann schon ging es der Sportgemeinschaft Dynamo Dresden in ihrer Vereinsgeschichte mal so gut? Das zurückliegende Jahr ist eine einzige Erfolgsstory, rein sportlich betrachtet. Erst der Aufstieg und jetzt sogar Platz neun in der zweiten Bundesliga, weit weg von der Abstiegszone. In der Publikumstabelle ist die Mannschaft sogar Dritter. Mehr als 25000 Zuschauer locken im Ligadurchschnitt nur Eintracht Frankfurt und Fortuna Düsseldorf ins Stadion. Und selbst bei Heimspielen, die ohne Publikum stattfinden müssen, brummt der Kartenverkauf. Sage und schreibe 28169 sogenannte Geistertickets sind für die Partie am Sonntag gegen Ingolstadt verkauft. Nur zum Vergleich: Die fünf bis 20Euro für solch eine Karte, die nicht mehr als symbolischen Wert hat, zahlen die Leute gern. Da herrscht Konsens. Über zwei Euro Eintritt für den Pillnitzer Park ist dagegen ein heftiger Streit ausgebrochen. Das soll man als Zugereister nun verstehen.

Dynamo polarisiert, elektrisiert und solidarisiert die Menschen in dieser Region offensichtlich wie kein anderes Thema. Dafür oder dagegen – so wirklich egal ist dieser Fußballverein niemandem. Und dennoch wird die Geburtstagsparty am 12.April ausfallen. Denn das zurückliegende Jahr hat auch gezeigt, dass es – abgesehen vom sportlichen Erfolg – für überschwängliche Vereinsfeiern nur wenig Anlass gibt. Stattdessen aber ein massives Problem mit dem eigenen Image.

Dresdens Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel hat in dieser Woche gesagt, diese Stadt sei schon immer etwas Besonderes, zumindest aber halte sie sich dafür. Und im Fußball würde sich das alles noch einmal potenzieren. Fakt ist: Dynamo ist ein Verein mit einer wahnsinnigen Anziehungskraft. Die SGD verfügt über eine außergewöhnlich große, leidenschaftliche und leidensfähige, unendlich treue Fanszene – unabhängig von der Spielklasse.

Dresden ist fußballverrückt. Schon immer. Das Dynamo-Emblem ziert das Auto der Kindergärtnerin genauso wie die Vase im Thai-Restaurant im Szeneviertel Neustadt. Sogar der Einsatzleiter der Polizei sympatisiert mit dem Verein, auch wenn er von einigen Anhängern als natürlicher Feind wahrgenommen wird. Ganz abgesehen von den unzähligen Stromkästen, Garagenwänden und Bushaltestellen, die mehr oder weniger kunstvoll mit dem großen D versehen sind oder schlicht das Geburtsjahr des Mythos tragen: 1953. Diese Stadt sei eben verdammt Dynamo-verseucht, sagt der Fanprojektleiter TorstenRudolph. Er meint das durchweg positiv. Alles ist schwarz-gelb – und trotzdem bunt, genauso wie die Fans. Omas, Ultras, Ex-Kicker, Familien, Hooligans. Sie alle fühlen sich der Sportgemeinschaft auf ganz besondere Weise verbunden. Aber genau das ist zugleich auch der entscheidende Teil des Imageproblems.
Unter die so oft beschworenen „positiv Bekloppten“ hat sich eine Gruppe von Randalierern und Gewalttätern gemischt, von der sich die zweifellos riesengroße Mehrheit nicht eindeutig und laut genug distanziert. So muss die Öffentlichkeit zu Recht den Eindruck haben, die Masse duldet Krawalle still, statt sich ab- und die Störer auszugrenzen. Vor allem bei Auswärtsspielen.

Dynamos Fanszene, sie gilt deshalb oft auch als Synonym für Gewalt. Insbesondere außerhalb von Dresden. Nur selten schafft es die Stadt, überregional Schlagzeilen zu machen. Beim Jahrhundert-Hochwasser war das so, auch bei der Waldschlösschenbrücke und dem Verkauf der Woba. Für ein paar Monate sorgen solche Themen gewöhnlich bundesweit für Interesse. Dynamo aber hat immer Saison. Egal in welcher Liga – die Schwarz-Gelben stehen permanent unter Beobachtung.

Und das seit 1991, seit dem Europapokalspiel gegen Roter Stern Belgrad im März. Es ist Dynamos vorerst letzter internationaler Auftritt, der in der 78. Minute wegen schweren Ausschreitungen abgebrochen wird. Mehr als 20 Jahre liegen die Ereignisse inzwischen zurück, doch seitdem steckt Dynamo drin in der Schublade mit der Aufschrift Problemfans. Und immer, wenn etwas passiert, wird diese Schublade aufs Neue geöffnet. Dann greifen die alten Reflexe, werden Stadionverbote gefordert, personalisierte Tickets, Geisterspiele, Punktabzüge. Schnelle Lösungen müssen her für komplexe, gesamtgesellschaftliche Fehlentwicklungen.

Da passt es nur zu gut ins Bild, dass sich zum Beispiel Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich nach dem Aufstieg als Dynamo-Mitglied feiern – aber seine Minister die Gelder für Jugend- und Fanarbeit widerstandslos kürzen lässt. 300000 Euro investiert der Freistaat zwar pro Jahr in die Fanprojekt-Arbeit. Doch wohlgemerkt zusammen für alle sechs Fanprojekte in Sachsen. Dabei ist es schon bezeichnend genug, dass die Landesregierung überhaupt erst 2008 und damit als vorletztes aller Bundesländer in die sogenannte Drittelfinanzierung von Land, Kommune und Verein eingestiegen ist.

Dynamo ist anders, hat ein früherer Geschäftsführer des Klubs einmal gesagt. Anders und neuerdings auch verändert. Das neue Dynamo tut etwas, wehrt sich gegen sein Negativ-Image – und muss sich dabei oft genug mit all den Altlasten herumschlagen, nicht nur finanziell. Seit der Eröffnung des neuen Stadions im September 2009, der emotionalsten Immobilie der Stadt, wie es der Stadionmanager Hans-Jörg Otto gern ausdrückt, ist der Wandel spür- und auch messbar. Die Einsatzzahlen der Polizei an Spieltagen ist deutlich zurückgegangen, der letzte Wasserwerfer beim Stadtduell gegen den DSC vor fast zehn Jahren gefahren.

Doch allzu oft sind es diese beklemmenden Bilder, die im Gedächtnis bleiben. Dabei haben Dynamos Fans viel mehr zu bieten: herausragende Choreografien, eine Vielzahl karitativer Projekte und eine wahnsinnige Verbundenheit. Die SGD ist ein Aushängeschild dieser Stadt – in guten wie in schlechten Zeiten.


Dynamo: Bislang fast 30.000 "Geistertickets" verkauft

Dresden. Fußball-Zweitligist SG Dynamo Dresden muss das Heimspiel am Sonntag gegen den FC Ingolstadt ohne seine Fans bestreiten. Die stehen aber dennoch fest hinter dem Verein. Bis zum Sonnabendmittag hatten bereits 29.638 Fans Karten für das Spiel erworben, auch wenn sie damit nicht ins Stadion dürfen. Die Tickets werden in den Kategorien Stehplatz, Gäste (je fünf Euro), Sitzplatz (je 10 Euro) und VIP (20 Euro) verkauft. Der Erlös geht auf Initiative der Dynamo-Fans zu 100 Prozent an den Verein.
Das Spiel vor leeren Rängen gehört zu den Strafen für Ausschreitungen von Dynamo-Anhängern beim Pokalspiel in Dortmund im vergangenen Oktober. Die Partie gegen Ingolstadt ist das zweite „Geisterspiel“ für die Dresdner in dieser Saison, da auch die Begegnung in Rostock ohne Zuschauer ausgetragen wurde. (dpa/szo)


Sächsische Zeitung, 10. März 2012

Großer Run auf das Geisterspiel Von Tina Hoffmann und Jörg Schurig

Beim Deutschen Fußball-Bund geht ein schwarz-gelbes Gespenst um. Der DFB hat Dynamo Dresden nach Ausschreitungen seiner Fans mit einem Geisterspiel vor leeren Rängen bestraft. Doch der Andrang auf die sogenannten Geistertickets ist riesig.

Dresden. Wenn Bundesliga-Zweitligist Dynamo Dresden an diesem Sonntag auf heimischen Rasen gegen den FC Ingolstadt aufläuft, wird das Stadion nahezu ausverkauft sein - und dennoch 32 000 leere Plätze haben. Das vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verhängte „Geisterspiel“ hat unter den Fans der schwarz-gelben Dynamos eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst und wirkt im Nachhinein fast wie ein Eigentor des DFB. Denn viele Käufer der Tickets - auf denen ein Gespenst über der Dynamo-Arena schwebt - halten die Bestrafung für ungerecht. Weil einige wenige Chaoten beim Pokalspiel der Dynamos im Oktober 2011 in Dortmund ausrasteten, muss nun der ganze Club samt Fans bluten. So wird das jedenfalls von vielen Dynamo-Fans gesehen.

„Die wollen eine volle Hütte haben. Das ist eine Trotzreaktion“, sagt der Geschäftsführer vom Fanshop im Stadion , Carsten Hamann. Die Fans würden es dem DFB nun zeigen wollen. Die Geistertickets sind eine Aktion der Fanclubs. Dynamo Dresden soll den Erlös bekommen, um die finanziellen Einbußen etwas mildern zu können. Bis Donnerstagnachmittag waren 22.000 Tickets für ein Spiel verkauft, das keiner live sehen darf. Hamann verweist darauf, dass es auch 7000 Dauerkarten-Besitzer gibt. Im Grunde sei das Stadion mit seinen 32.000 Plätzen schon fast ausverkauft. „Ich bin völlig überwältigt von dieser Aktion. Es ist schön zu sehen, wie die Fans hinter uns stehen“, sagt Dynamo-Präsident Andreas Ritter.

Die Tickets für 5 Euro (Stehplatz), 10 Euro (Sitzplatz) und 20 Euro (VIP) werden von Leuten aus den Fanclubs abgestempelt und mit einer Nummer versehen. Letzte Nacht hätten sie auf diese Weise rund 7000 Tickets produziert, sagt Hamann. Auch ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Geisterspiel“ samt Datum, Gespenst und Dynamo-Logo ist im Angebot. Zunächst hat das Geschäft 500 Exemplare bestellt. Nach Lage der Dinge dürften auch die wie warme Semmeln weggehen. Uta-Verena Meiwald, sportpolitische Sprecherin der Linken im sächsischen Landtag und bekennender Dynamo-Fan, nennt die Anhänger „positiv Bekloppte“ und ordnet sich selber in diese Kategorie ein.

„Das ist eine tolle Aktion“, sagt Meiwald, die ihr Geisterticket schon seit Tagen in der Tasche hat. Von Geisterspielen hält sie nichts. So würden 25 000 Leute für das Verhalten von 50 Irren bestraft. Meiwald verweist darauf, dass Dynamo Dresden eine Fangemeinde samt Clubs in ganz Deutschland hat und gerade bei den Wochenendspielen zu einer schwarz-gelben Familienparty wird.

„Dynamo ist anders, einmalig“, sagt die Politikerin, bleibt aber auch kritisch. Denn bei Auswärtsspielen von Dynamo sei die Fankultur schon manches Mal in eine Unkultur umgeschlagen. „Es gibt dieses schöne Heimgesicht mit guter Stimmung, friedliche Fans und wunderschönen Choreographien im Fanblock, aber auch die hässliche Auswärtsfratze“, betont Meiwald. Sie rät dem Deutschen Fußball-Bund, etwas an seiner Taktik zu ändern. „Man sollte den Vereinen bei Auswärtsspielen das Hausrecht über den eigenen Fanblock geben“, sagt die 46-Jährige. In Kurzfassung heißt das: eigene Ordner, eigene Einlasskontrolle und Verantwortung für die eigenen Fans im anderen Stadion . „Der Verein kennt doch seine Pappenheimer, die wissen, wer Stadionverbot hat und können gleich reagieren.“ Viele Stadien in Deutschland würden schon heute baulich eine Trennung der Fan-Lager garantieren. Da ließe sich das mit den Kontrollen auch regeln. Dynamo Dresden habe das Hausrecht wiederholt dem DFB vorgeschlagen, aber leider keine Zustimmung gefunden. (dpa)


BILD, 5. März 2012

Dynamo Dresden verkauft seit Montag Geister-Tickets
Von TIM SCHLEGEL

Dresden – Wegen des DFB-Urteils muss Dynamo Dresden am Sonntag gegen Ingolstadt vor leeren Rängen spielen. Das hält den Zweitligisten aber nicht davon ab, Karten zu verkaufen.

AB MONTAG GIBT‘S GEISTER-TICKETS!

Mit denen kommt man zwar nicht ins Stadion, erfüllt aber einen ganz wichtigen Zweck: den Einnahmeverlust (ca. 300 000 Euro) zu verringern. Das hatten sich die Anhänger gewünscht, um ihrem Verein zu helfen.

Dynamo-Kapitän Cristian Fiel (31) begeistert: „Unsere Fans sind wirklich einmalig.“
Dynamo ist eben anders!

Die Karten gibt‘s in den Kategorien Stehplatz (5 €), Sitzplatz (10 €) und VIP-Platz (20 €) an den Stadion-Kassen neben dem Fanshop (10 bis 18 Uhr), sieben anderen Vorverkaufsstellen und im Onlineshop.

Alle Infos auf www.dynamo-onlineshop.de.

Jeder kann übrigens so viele Tickets kaufen, wie er will. Vielleicht bleibt das Stadion leer und ist am Ende trotzdem „ausverkauft“.
Das wäre dann eine absolute Sensation und einmalig!


Sächsische Zeitung, 4. März 2012

Nach Rostocker Vorbild: Dresden verkauft „Geisterspiel-Tickets“

Dresden. Geistertickets für Geisterspiel: Mit einer Spendenaktion will Fußball-Zweitligist Dynamo Dresden den materiellen Verlust wegen der Bestrafung durch das DFB-Sportgericht so weit wie möglich minimieren. Auf Initiative der Dynamo-Fanszene und nach dem Vorbild des FC Hansa Rostock werden ab Montag sogenannte Geistertickets für die Partie gegen den FC Ingolstadt am nächsten Sonntag verkauft. Dresden war wegen der Ausschreitungen beim Pokalspiel in Dortmund in zweiter Instanz zu 100.000 Euro Geldstrafe, einem Heimspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit und einem Auswärtsspiel ohne eigene Anhänger verurteilt worden.

Nach Mitteilung des Vereins gibt es für die Partie gegen Ingolstadt Karten in vier Kategorien: „Stehplatz“- und „Gästetickets“ zu je 5 Euro, „Sitzplatztickets“ zu 10 Euro und „VIPTickets“ zu 20 Euro. Der Erlös der Einnahmen kommt auf Initiative der Dynamo-Fans zu 100 Prozent dem Verein zu Gute.

Das Spiel gegen Ingolstadt ist das zweite sogenannte Geisterspiel für die Dresdner in dieser Saison. Auch die Begegnung in Rostock fand ohne Zuschauer statt. Dazu war Hansa ebenfalls nach Verfehlungen der eigenen Anhänger verurteilt worden. Der Verein hatte daraufhin „Geisterspieltickets“ verkauft. Insgesamt gingen 11 000 Karten an die Fans. (dpa)


Fangemeinschaft Dynamo e.V., 3. März 2012

Die Fangemeinschaft Dynamo und die Torwirtschaft laden ein zu "GEIST und SPIEL"!

Anlässlich der Folgen von Ignoranz und Hass in der Frankfurter Otto Fleck Schneiße wird die Fangemeinschaft Dynamo am Sonntag, den 11. März gemeinsam mit und in der Torwirtschaft ein Geisterspiel veranstalten. Wir haben uns dabei aber nicht nur fest vorgenommen, die drei Punkte gegen Ingolstadt vor der Videoleinwand zu bejubeln, sondern wir wollen den Tag auch dafür nutzen, wieder einmal nach dem Geist von Fußball und von Dynamo zu suchen. Dafür werden wir ein paar entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Es wird bleihaltiges Bier, unverkohlte Bratwürste und traditionelle Fisch- und Hackepetersemmeln geben. Gegen Bargeld, versteht sich. Die FANZEIT wird an der richtigen Stelle, nämlich in der Halbzeitpause stattfinden und Platz für Zaunfahnen gibt es im Überfluss. Geöffnete Sektorentrennungen werden jedem Einlass gewähren, der sich zu unserer Sportgemeinschaft bekennt. Wer möchte, kann gegen eine "Bunker-Gebühr" in Höhe von minimum 3 Euro sogar eine eigens fabrizierte "GEIST und SPIEL – Eintrittskarte" für seine Sammelvitrine erwerben. Wir empfehlen den Kauf einer solchen Karte ausdrücklich, geht doch der Erlös der "Bunker-Gebühr" zu 19 Prozent an Dynamo und zu 53 Prozent direkt an die Fanbetreuung. Den Rest bekommt "Dynamo für alle Kinder". Fehlt zum perfekten Fußballnachmittag also eigentlich nur noch eins: IHR.

Wir laden deshalb hiermit alle Dynamofans und – faninnen ganz herzlich zu "GEIST und SPIEL" von Fangemeinschaft Dynamo und Torwirtschaft ein. Feiern wir gemeinschaftlich den 10. Saisonsieg unserer Jungs und erleben wir gemeinschaftlich den Geist von Fußball und von Dynamo.

Wann: Sonntag, 11. März ab 12:00 Uhr
Wo: Torwirtschaft
Wer: alle Dynamofans

Wir freuen uns auf euch!
Fangemeinschaft Dynamo und Torwirtschaft