Jahr 2011


Sächsische Zeitung, 14. Oktober 2011

Dynamos besondere Fankurve

von Sven Geisler und Christian Dittmar

Die Dresdner sind Zweiter in der Zuschauertabelle. Das war einst in der Bundesliga noch anders.

Wenn René Müller von seiner Zeit bei Dynamo Dresden erzählt, wundert er sich. Über die eher spärliche Kulisse. „So zahlreich, wie es heute mancher glauben machen will, wurden wir gar nicht unterstützt“, sagte der frühere Kapitän und Torwart. Dabei spielten die Schwarz-Gelben mit ihm nach der Wiedervereinigung zum ersten Mal in der Fußball-Bundesliga. Trotzdem war das Rudolf-Harbig-Stadion in der ersten Saison nur einmal ausverkauft: beim Gastspiel des FCBayern am 23.August 1991. Die Münchner gewannen 2:0.
Letztlich legten die Schwarz-Gelben aber zu Hause mit 25:13Punkten – damals gab es nur zwei Punkte pro Spiel – den Grundstein für den Klassenerhalt. In der Zuschauertabelle rangierte Dynamo jedoch nur auf Platz zwölf, sogar Duisburg und Mönchengladbach hatten eine bessere Quote. Ganz anders aktuell: Die Dresdner stehen auf Platz zwei der Publikumsliste hinter Eintracht Frankfurt, dreimal in fünf Zweitliga-Spielen war das Stadion ausverkauft. Und die Tendenz hält an: Für das Heimspiel am Sonntag gegen Alemannia Aachen waren bis gestern Nachmittag bereits 25000 Tickets abgesetzt worden.
Auf Wunsch des Vereins stimmte die Polizei zu, die Pufferzonen zwischen den Fangruppen zu verkleinern, sodass noch rund 2500 Karten zu haben sind. Im Etat hatte die SGD mit durchschnittlich 17000 Zuschauern pro Heimspiel kalkuliert, in etwa dem Schnitt aus der 3. Liga. Jetzt plant Geschäftsführer Volker Oppitz mit 21500 und Einnahmen in Höhe von rund 3,7Millionen Euro. Erst mit dieser durch die Fans ermöglichten Korrektur konnte sich Dynamo nach Saisonbeginn die Neuverpflichtungen Muhamed Subasic, Mickael Pote und Zlatko Dedic leisten.

Tiefstwert: 920 bei Nordhausen

Zweifellos hatte Dynamo auch seit 1990 einen starken Besucherstamm – unabhängig von der Spielklasse. Lediglich in der Saison 2000/01, als die Mannschaft unter Trainer Cor Pot in der viertklassigen Amateuroberliga dem eigenen Anspruch meilenweit hinterher- hinkte, gab es einen deutlichen Knick und den Tiefstwert wohl aller Zeiten. Inzwischen genießt unter den Anhängern Kultstatus, wer von sich sagen kann: „9. Mai 2001, Dynamo gegen Wacker Nordhausen, 5:0, 920 Zuschauer – ich war dabei!“ Die Gäste traten damals an einem Mittwoch nur mit zehn Spielern an. Die anderen Freizeitkicker waren dienstlich verhindert.
In der Spielzeit danach eroberten die Schwarz-Gelben unter dem neuen Chefcoach Christoph Franke schnell die Sympathien der vergraulten Schlachtenbummler zurück, die Fankurve stieg wieder an. Zum Heimspiel um den Aufstieg in die Regionalliga gegen Hertha BSC/Amateure kamen am 1.Juni 2002 mehr als 17000. Etwas weniger sahen im Durchschnitt die Partien in der zweiten Liga zwischen 2004 und 2006. Rekordkulisse in diesen zwei Jahren waren 23900 im Sachsenderby gegen Erzgebirge Aue. Allerdings waren Komfort und Kapazität im alten Stadion zu dieser Zeit stark eingeschränkt. Das gilt auch für die Umbauphase zwischen November 2007 und September 2009.

René Müller fand eine Erklärung für den geringen Zuspruch in der Bundesliga, wo selbst das Nachbarschaftsduell gegen den VfBLeipzig nicht zog (12120). „In Dresden ging die Schere auf zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Einerseits träumten alle noch von den Europapokal-Höhepunkten und Meistertiteln, andererseits steckten wir tief im Abstiegskampf. Das waren die Dynamo-Fans nicht gewohnt.“

Jetzt, so scheint es, sind sie dankbar für attraktivere Gegner in Liga zwei sowie besseren Fußball in einem hochmodernen Stadion . Und Trainer Ralf Loose ist dankbar für diese außergewöhnliche Unterstützung. „Die Bindung zu den Fans muss immer da sein. Und wenn die Mannschaft kämpferisch alles gibt, kriegen wir auch von den Rängen viel zurück“, sagt der 48-Jährige. So soll es am Sonntag wieder sein.