Artikel vor 2003


Dresdner Neueste Nachrichten vom 11.April 2001

Dynamo macht Stadt für Krawalle verantwortlich

Überschuldeter Verein zieht Insolvenz in Erwägung
von Jochen Leimert

Dresden. Es bleibt dabei: Das Stadtderby zwischen dem FV Nord und Dynamo fällt wegen der Stadionsperre aus. Wilfried Riemer, Spielbetriebsleiter beim Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV), bekräftigte gestern, dass vor der Verhandlung am 19. April nichts passieren wird, die Sperre aufzuheben oder das Spiel zu verlegen. Auch die Begegnung gegen Nordhausen am nächsten Mittwoch ist davon betroffen.
Der FV Nord zeigte sich enttäuscht über diese Haltung: "Wir müssen das zähneknirschend zur Kenntnis nehmen. Uns entsteht ein Schaden und wir wissen noch nicht einmal, bei wem wir einen Schadensersatzanspruch herleiten können. Der größte Schaden ist, dass das Spiel nicht stattfinden kann. Somit triumphieren jene, die dafür verantwortlich sind, und nicht der Sport", meinte Nord-Manager Christian Minks.

Dynamo klagt Polizei und Stadt an

Weitaus größer ist der Unmut über die Stadionsperre an der Lennéstraße. Doch der wendet sich nicht gegen den NOFV. Die Verantwortlichen machen in einem Offenen Brief die Polizei für den Ausbruch der Randale mitverantwortlich, warfen den Beamten u.a. vor, zugesehen zu haben, wie städtisches Eigentum zerstört wurde. Zugleich beschuldigte das Präsidium die Stadt indirekt, bei dieser Aktion habe es sich "um eine Revanche für das gellende Pfeifkonzert für den Oberbürgermeister der Stadt beim Freundschaftsspiel gegen Borussia Dortmund" gehandelt. Dem Rathaus wurde vorgehalten, keinen Profifußball zu wollen. Außerdem vermutet man ein bewusstes Ablenken von den desolaten Bedingungen im Harbig-Stadion, dessen Anlagen "den Charme tiefster sozialistischer Mangelwirtschaft" widerspiegele. Das passe in das Gesamtbild des Engagements für den Sport in Dresden, reihenweise würden Chancen vertan, schrieb das Dynamo-Präsidium entrüstet.

Stadt weist Vorwürfe zurück

Bei der Stadt stieß diese allgemeine Missfallensbekundung über die miserable Sportstättensituation in Zusammenhang mit den Krawallen am Freitag auf scharfe Ablehnung - zumal der Klub seit geraumer Zeit mit der Stadionmiete im Rückstand ist. "Das ist ein starkes Stück und barer Unsinn. Das weiß Herr Lorentsck auch", wetterte Pressesprecher Ulrich Höver, versuchte aber zugleich nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen: "Wir nehmen das als einen im Affekt geschriebenen Gefühlsausbruch." Ordnungsdezernent Bernd Ihme sah in dem Brief "eine Panikreaktion." Er stellte sich hinter die Polizei: "Ich habe Vertrauen zu unserer Polizei." Als Vorsitzender der AG Sportstättensicherheit, die am 27. April tagen wird, kündigte er eine Aufarbeitung der Vorgänge an. Die Entscheidung des NOFV nannte er "eine harsche Reaktion, die ich aber respektiere". Ihme versteht die Maßnahme als letzte Warnung an den Verein.

Schulden in Millionenhöhe

Unterdessen zeichnet sich ab, dass die finanzielle Situation des Vereins erheblich schlechter aussieht, als bisher angenommen. So sollen den Klub Schulden in Millionenhöhe u.a. nicht nur bei der Stadt und bei der Berufsgenossenschaft drücken. Beim Fan-Forum gestern Abend im alten Presseraum sprachen Präsident André Lorentschk und Aufsichtsratschef Andree Reuter zudem offen über ein Insolvenzverfahren. "Die finanzielle Lage des Vereins ist - gelinde gesagt - angespannt", so Lorentschk. Reuters Gedankengänge gingen dahin, dass ein Insolvenzverfahren eine Möglichkeit sei, sich zu entschulden. Er hat sich beim Verband kundig gemacht, dass bei einem Verfahren in dieser Saison der Spielbetrieb durch den Insolvenzverwalter fortgeführt würde, ein Zwangsabstieg - anders als womöglich im nächsten Jahr - nicht drohe. Auf die Frage der Fans, ob man an die Insolvenz denke, antwortete Lorentschk knapp: "Im Moment nicht. Aber wir bewegen uns auf einem sehr schmalen Grat." Es gebe "Sachzwänge, die eventuell dafür sprechen", räumte Reuter ein.

Streit um die Homepage

In diesem Zusammenhang scheut das Präsidium einen Vertragsabschluss mit den Betreibern der Homepage, die seit Freitag geschlossen ist. Betreiber Holger Schulze und sein Team warten seit drei Jahren auf einen Vertrag, der ihnen lediglich rund 2500 Mark technische Kosten im Monat - aus Werbeerlösen und dem Verkauf von Fanartikeln übers Netz - für ein deutschlandweit nur noch mit Bundesliga-Spitzenklubs vergleichbares Angebot zusichert. Fast 680 000 Besucher seit 1997 konnte man auf www.dynamo-dresden.de begrüßen, nun ist Schluss, weil den Betreibern das Geld ausgeht und Schulze nicht mehr hingehalten werden will. Dabei ließe sich über die beispielhafte Seite als Offizielle Vereins-Homepage viel Geld für den Verein erwirtschaften: "Die Partner sind da, ich könnte dem Verein jeden Monat ansehnliche Summen überweisen", sagte Schulze. Über Jahre investierte er Zeit und Geld, es gab wiederholt Absichtserklärungen des Präsidiums, doch passiert ist nichts. Im Verein wurde lanciert, Schulze habe dem Klub eine Rechnung von 350 000 Mark gestellt. "Das ist erstunken und erlogen", kommentierte ein maßlos enttäuschter Schulze, der offenbar aus dem Verein gedrängt werden soll. Denn dort arbeitet er seit vielen Jahren als Buchhalter, weiß somit genau über die finanzielle Situation Bescheid. Und das ist vielen ein Dorn im Auge. Jochen Leimert

aus dem Dresdner Blätt´l 03/99 vom 12. Februar 1999

Stadionneubau – Ostragehege

In Dresden gibt es derzeit zwei große Stadien: das Rudolf-Harbig-Stadion und das Heinz-Steyer-Stadion. Beide haben ein glanzvolle Vergangenheit. Das Rudolf-Harbig-Stadion ist eng mit dem Fußball verbunden, vor allem mit Dynamo Dresden. Am gegenwärtigen Fußball scheiden sich die Geister und vieles ist zerstritten. Das Stadion dümpelt vor sich hin.

Unsere Stadt hat in den vergangenen Jahrzehnten aber nicht nur vom guten Ruf der Fußballer gelebt! Im Heinz-Steyer-Stadion fanden solch bedeutende Leichtathletikwettkämpfe wie das Goldene Oval, DDR-Meisterschaften, Europa-Cups und Olympischer Tag (mit Besucherzahlen von jeweils 15.000 bis 36.000) statt. Zwölf Weltrekorde konnten die sachkundigen und begeisterungsfähigen Dresdnerinnen und Dresdner im Heinz-Steyer-Stadion live erleben. Sportlerinnen wie Renate Stecher (Sprint), Annelie Erhardt (Hürdensprint), Rosemarie Ackermann (Hochsprung), Evelin Jahl (Diskus), Siegrun Siegel (Weitsprung), Marlies Göhr (Sprint), Ruth Fuchs (Speerwurf) und Heike Drechsler (Weitsprung) konnten hier Weltrekorden aufwarten. Heute in Dresden nicht mehr vorstellbar. In Dresden sind gerade mal Nachwuchssportfeste, nationale Jugendsportfeste, Sächsische Mehrkampfmeisterschaften und 1998 das Internationale Rudolf-Harbig-Meeting übrig geblieben bzw. dazugekommen.

Heute kann sich die Stadt Dresden keine zwei Stadien in dieser Größe leisten. Wir wissen, dass das eine mehr, dass andere weniger sanierungsbedürftig ist. Wir wissen auch, dass die Stadien nicht den Grundanforderung der jeweiligen Sportverbände entsprechen. Das wiederum hat zur Folge, dass wir von vornherein von internationalen Zuschlägen für Großsportveranstaltungen ausgeschlossen sind. Unsere Spitzenathleten ziehen sich deshalb aus Dresden zurück und suchen sich woanders, fern der Heimatstadt, bessere Trainings- und Wettkampfbedingungen. Die Stadtverwaltung hat deshalb eine Vorlage eingebracht, nach der das Heinz-Steyer-Stadion durch einen Neubau für 30.000 (bzw. aktualisiert 42.000) Zuschauer ersetzt werden soll. Die Finanzierung des Projektes ist ohne Fördergelder nicht möglich. Dem Finanzierungskonzept wurde am 4.02.99 im Stadtrat in einem Grundsatzbeschluß zustimmt. Aufhänger für die mögliche Förderung ist die Absicht, in Dresden Spiele der Fußballweltmeisterschaft 2006 auszutragen, so der Deutsche Fußballverband den Zuschlag für die WM erhält. Eine Förderung durch den Bund und das Land wäre dann in erheblichem Umfang möglich.
Das neue Stadion soll dann Heimstatt für den Dresdner Fußball und die Leichtathletik werden. Gut fand ich, dass der Titel der Vorlage dementsprechend von Fußball-WM-Stadion in Stadionneubau Ostragehege geändert wurde. Wermutstropfen: Zwei Stadien sind für die Stadt nicht haltbar; so soll zur Finanzierung des Neubaus das Rudolf-Harbig-Stadion verkauft werden. Die PDS-Fraktion stimmte dem Ziel des Stadionneubaus und auch der Finanzierungsvorlage zu, weil wir ein internationalen Anforderungen standhaltendes Stadion aus kommunalpolitischer und sportlicher Sicht für wichtig halten.

Barbara Lässig, Stadträtin